Schachfreunde Burg von 1966 e.V.

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Dieser Essay dient einer kritischen Reflexion über die Mechanismen im Schachsport (PDF-Version). Zweiter Teil: Das Vereinswesen. Viel Vergnügen beim Lesen!

 

 

Wenn wir an das Schach-spiel denken, wie es durch ein spezifisches Regelwerk von anderen Spielen unterschieden ist, so stellt sich auch die basale Frage, was der Grund sein könnte, weshalb die Personen ihre Zeit in das Spiel investieren. Aus einer ökonomischen Perspektive heraus – und ich meine es wertfrei im Gegensatz zu einem Ökonomismus von Ökonomen - , ließe sich die Bedeutung des Schachspiels relativ einfach klären: Profitmaximierung.

Sei es nun in dem Aufbau von sozialen Beziehungen, in welchen man durch soziale Arbeit sich ein Beziehungsgeflecht strickt (Freunde, Bekannte, Gegner usw. erfordern Beziehungsarbeit), so dient die Ressource Zeit, welche man in das Schachspielen investiert, eben auch einem Gewinninteresse, das man sich durch die Beziehungen erhofft. EIn Gewinn von Beziehungsarbeit ist die Stabilität der Beziehungen selbst. Man lernt neue Menschen kennen, es bilden sich so genannte "Freundschaften fürs Leben", aber auch Bekanntschaften und höfliche Rivalitäten. Diese Form des sozialen Kapitals, welches man sich durch Beziehungsarbeit akkumuliert, dient auch einer Senkung von Transaktionskosten: Kann sein, dass die Kompetenz eines Schachfreundes in einer ganz anderen Situation nützlich sein kann und man dadurch die Stabilität der Bindungen für sich nutzt.

Der "Profit" oder "Gewinn" aus sozialer Arbeit lässt sich wohl auch ausdrücken als die Bestätigung der eigenen Position im anderen. Man ist nun etwas "Wert" für andere und erhält dadurch eine Nachfrage.

Was sind die Ausdrucksformen von Beziehungsarbeit? Angefangen bei losen Spielgemeinschaften zwischen zwei Personen, welche sich regelmäßig zum Schachspielen im Park oder in der Kneipe treffen, über der Organisation eines Schachvereins, der Integration erfordert - was die Freiheitsgrade seiner Mitglieder senkt, wodurch sie aber erheblich mehr Spiel- und Siegmöglichkeiten (Profite) erhalten können -, bis hin zu Verbänden; jedesmal ist abseits des Schachspiels eine organisatorische Kraft notwendig, die nicht möglich wäre, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht, d.h. über das Schachspiel miteinander reden kann.

 


 

 

Dadurch, dass die Personen an das Regelwerk glauben, grenzen sie sich nicht nur von anderen Spielfeldern ab, sondern erhalten im Feld (Markt, Raum) eine neue Identität zugewiesen. Sicherlich sind SchachspielerInnen nette Leute, aber spielen auch wirklich alle netten Leute Schach? Wird ein Großmeister auch von allen auf der Straße erkannt oder erst von SchachspielerInnen? Man muss hier eine klare Linie ziehen zwischen einer Person, die eine Geschichte hat, und einem Schachspieler, welcher so etwas wie eine Epoche davon ist. Mit jeder Lebensgeschichte endet jede Epoche, aber mit einer Epoche endet längst nicht jede Lebensgeschichte.

Denken wir uns dieses Schema für eine Institution, die aus mindestens zwei Personen besteht, die sich reziprok wahrnehmen. So könnte man sagen, dass eine Schachpartie die minimalste Form eines Wettbewerbs ist. Die Personen bieten sich als SchachspielerInnen an und je nach dem, ob die Nachfrage des anderen angeregt wird, kommt es anschließend zu einer Begegnung, aus der ein Preis (z.B. die Wertungszahl) festgesetzt werden kann.

Der Marktpreis ist jedoch nicht nur etwas so eindeutiges wie die Wertungszahl. Ein Großmeister ohne DWZ symboliert ebenfalls einen bestimmten Wert und wird auf Turnieren daher meistens subventioniert, obwohl sein Preis speziell für diese Währung (DWZ ist eine Gewährleistung des Schachbundes) nicht berechnet wurde.

Angenommen, das, was im Schach getauscht wird, ist etwas Symbolisches, eine spezifische Sorte von Kapital, die nachher festsetzt, welchen Wert das eigene Schachspiel nimmt. Schauen wir uns an, was passiert, wenn jemand im Schach gewinnt. So ist das, was diese Person aus der Begegnung mitnimmt, ein Sieg. Er kann anschließend sagen, dass dieser Sieg zu seinem persönlichen Besitz gehört: "Ich habe gewonnen. Diese Leistung kann mir keiner mehr nehmen."

Wie steht es beim anderen? Dieser hat ebenfalls etwas aus der Begegnung mitgenommen, eine Niederlage, oder wie es so schön heißt: er hat Erfahrung dazu gewonnen. Nichtsdestotrotz wirkt sich diese Niederlage negativ auf seinen Preis in einem organisierten Markt aus. Sein Schachspiel hat für die Schachlandschaft, in der dieser Wert festgesetzt wird (z.B. Deutscher Schachbund), weniger Wert als das des anderen.

Im Laufe einer Karriere häuft ein/e Spieler/in also so und so viel Siege, Remisen und Niederlagen an, die irgendwann in einem Preis ihren Ausdruck finden und nun seinem kognitiven Produktionssystems einen eigenen Wert geben. Von einem Großmeister erwartet man, dass er gegen einen Neuankömmling gewinnt, da sein Schachspiel ansonsten auch erheblich an Wert(ungszahl) verliert.

Wie wird der Preis genau festgesetzt? Eine Preissetzung benötigt in erster Linie die formale Dokumentation, damit das Ergebnis auch anschließend zum Besitz hinzugerechnet werden kann und die Eigentumsverhältnisse korrekt sind. Daher benötigt es erstens einen einheitlichen Spielmodus sowie der Partienotation, die der Leistung eine Materialität gibt. Zweitens braucht es einen Wertungsreferenten, welcher befugt ist, Preise zu berechnen. Drittens eine Art Börse oder Dachorganisation (Schachbund, FIDE), welche den SpielerInnen eine Plattform (national/international) und ihre Währung (DWZ/ELO) anbietet, durch die sie ihr Angebot bewerten können und ihrem Schachspiel somit speziell für diesen Markt einen Wert geben. Es sei an dieser Stelle nur daran erinnert, wie oft ELO und DWZ auseinanderklaffen. Man fragt da schon fast nach einem Umrechnungskurs.

Die organisierten Marktplätze (Turniere, Ligen) müssen jedoch nicht immer einer Preissetzung unterliegen. Welchen Zweck erfüllt zum Beispiel ein Blitzturnier, wenn man doch anschließend nicht wissen kann, ob sich eine Wertsteigerung bemerkbar macht? Man ahnt es schon: Angenommen, das Tauschmittel im Schachspiels sei symbolisches Kapital, so gehören im Schach erworbene Titel aber auch Platzierungen maßgeblich zum Besitz dazu. Dieser Besitz drückt sich nicht nur in der Kommunikation aus ("X ist Landesmeister 2011" / "Y ist Vize-Landesmeister 2011" usw.), sondern erhält im Gegensatz zu einer Wertungszahl, die kontinuierlich mitgedacht wird, etwas Materielles, damit der Besitz auch nicht vergessen werden kann: Pokale, Urkunden, sonstige Geschenke. An dieser Stelle sei auf die Besonderheit eines Schachtitels hingewiesen. Dieser kann nicht zum sozialen Kapital, also etwas, was durch soziale Arbeit akkumuliert wird, hinzugezählt werden, da er nur durch schachliche Arbeit (Training, Spiele) erworben werden kann.

Auch sollte man das Argument fallen lassen, dass die Wertungszahl per se etwas zu bedeuten hat. Eine starke Niederlage kann sich positiv auf das Produktionssystems auswirken. Ebenso kann ein Rückgang an schachlicher Arbeit bei gleichbleibendem Marktpreis einen rapiden Kurssturz bei der Investition in Turniere oder Ligen nach sich ziehen.

Man beachte nun den subtilen Unterschied. Innerhalb der Leistungen finden sich Hierarchien wieder. Von einem Großmeister erwartet man nunmal, dass er seine Leistung mitbringt. Dagegen ist jemand, der irgendwann mal irgendwo Blitzmeister war, nicht zwangsläufig jemand, der auch für gutes Schachspielen steht. Die Einführung einer einheitlichen Währung im Deutschen Schach war daher sicherlich ein wichtiges Ereignis für das Schachspiel in Deutschland.

 


 

 

Ein Verein besteht aus Mit-glieder-n, welche nicht zwangsläufig über ihre Identität als SchachspielerInnen diesem angehören müssen (z.B. Ehrenmitglieder). Gesetzt dem Fall, ein Verein hat seine Geschichte, in der die Mitglieder (Personen und SchachspielerInnen) die Epochen darstellen, so ist die Stimme des Vereins nicht nur der Vorstand, sondern auch jedes einzelne integrierte Mitglied.

Analysieren wir einmal ganz genau, wie es sein kann, dass man sich über den Erfolg eines Vereinsmitglieds freuen kann, obwohl man scheinbar gar nichts dazu beigetragen hat. Wer nimmt also an diesem Profit teil? Dazu ein aktuelles Beispiel: Unsere Jugendmannschaft ist in der abgelaufenen Saison in die Jugendbundesliga aufgestiegen. Man ahnt es vielleicht schon an der Sprache. Denn mit diesem Satz ist ein Besitzanspruch ausgedrückt. Wem gehört die Jugendmannschaft? Weder mir, noch den Jugendspielern. Sie gehört dem Verein. Lokalisiert ist sie hauptsächlich bei den jugendlichen Vereinsmitgliedern. Wer spricht also über unsere Mannschaft? Der Verein. Jede Person, die sich in einen Verein integriert, erhält auch dort eine neue Identität. Das verändert die Optik. Der Verein interessiert sich für seine Mitglieder. Daher schaut man bei den Ergebnissen der Vereinsmitglieder, ob Ligen oder externe Turniere, genauer hin. In Wirklichkeit ist es somit nicht der Schachspieler, der sich über den Erfolg freut. Schließlich sind es seine Kontrahenten. Es ist der Verein, der den Profit wahrnimmt. Man achte in Zukunft auf das Sprechen, wenn es zum Beispiel heißt: "Ich spiele bei einem Bundesligisten." Der Profit wird zur Schau gestellt und angelegt, damit er Zinsen abwerfen kann. Vielleicht redet man noch in zehn Jahren darüber – aber immerhin darf man darüber reden.

Warum ist nun also der Erfolg von anderen der eigene? Sich einem Verein anzuschließen, bedeutet zwar, Freiheitsgrade einzuschränken, indem man dem Verein bei sich eine Stimme gibt, andererseits bedeutet es auch, neue Marktsegmente zu erschließen. Überall, wo man Zeit einsetzt, erhebt man auch meistens einen Besitzanspruch. Ein Jugendwart spielt zwar nicht mit, wird aber durch den Erfolg der Mannschaft ebenfalls bestätigt. Seine Jugendarbeit hat sich sozusagen gelohnt, indem nun die Mannschaft, die dem Verein gehört, dem Jugendwart diesen Erfolg mittelbar über seine Vereinsmitgliedschaft zuschreibt. Dabei ist es nicht entscheidend, ob unser Jugendwart durch seinen passiven Status einen Migrationshintergrund besitzt. Vielmehr wird er sich mehr über den Erfolg freuen als jemand, der weniger dafür gearbeitet hat. Noch einmal: Es ist nicht der Schachspieler, der am Erfolg seiner Kontrahenten teilnimmt.

 


 

 

Ziele haben - wie im ganz normalen Leben - nur einen Sinn: Schulden. Indem man sich ein Ziel setzt, nimmt man gleichzeitig eine Schuld auf sich, die man (für sich oder für andere) abbezahlen will, um anschließend seinen Mehr-Besitz zu genießen. Angenommen, jemand hat Ziele wie Meisterschaft holen, Wertungszahl steigern oder Klassenerhalt sichern, so ist der/die Schachspieler/in zunächst in einer Schuld gegen sich als Person oder gegen andere. Die Person investiert die Zeit in Schach, damit es die Meisterschaft holt usw. Wenn sie die Meisterschaft holt usw., finden der/die Schachspieler/in Bestätigung in der eigenen Person: z.B. "Es hat sich gelohnt, dass Schachtraining dem Fussballspielen vorzuziehen." usw.

Gesetzt dem Fall, der Schachspieler holt nicht die erhoffte Meisterschaft, steigert nicht die Wertungszahl oder steigt mit seiner Mannschaft sogar ab, so kann man sich denken, was mit der Person los ist, wenn sie bemerkt, dass sie als Schachspieler alle ihre Ziele (Schulden) nicht bedienen kann. Es können sich Schuldgefühle einschleichen, die zu einer Abschreibung am bisher erworbenen Besitz werden. Dafür, dass die Ziele nicht erreicht wurden, denkt sich die Person, ist die Schuld ja noch da, nur irgendwo anders. Man ahnt es schon. Das eigene Schachspiel wird in Frage gestellt: "Bringt doch alles nichts. Ich hör auf." Was dieser Zahlungsausfall bedeutet, lässt sich recht gut unter dem Begriff Krise subsumieren.

Was damit gesagt werden soll, ist folgendes: Ziele und Erwartungen sind zwar die treibende Kraft für den Kapitalverkehr, jedoch sollte man das Risiko dieser Schuldenmacherei deliberativ einkalkulieren. Wer nicht das vorhandene Leistungsvermögen besitzt, um seinen Renditewahn zu befriedigen, sollte kleinere Brötchen backen. Außerdem schleichen sich schnell gefährliche Selbstverständlichkeiten ein: Man steigt auf, sichert zweimal den Klassenerhalt und anschließend wird es selbstverständlich, dass man in dieser Spielklasse spielt. Die Schuld "Aufstieg" wird transformiert in "Klassenerhalt". Das ursprüngliche Ziel gilt somit als getilgt. Daraus folgt aber auch gleichzeitig, dass bei einem Abstieg plötzlich die blanke Panik einsetzt, da eine alte Schuld sich mit einer anderen (dem Klassenerhalt der höheren Spielklasse) summiert.

Es genügt mir daher nur ein Satz zur Widerlegung des Aberglaubens, man müsste Ziele besitzen:

Gesetzt dem Fall, es gebe einen unschlagbaren, allerbesten Schachspieler, ob Mensch oder Maschine, so besitzt dieser qua Definition keine Ziele mehr. Wer stark ist, braucht keine Ziele. Er holt eh alles, was ihm zusteht. Mit Zielsetzungen oder Zweckmäßigkeiten hat er nichts zu tun. Vielmehr ist er selbst ein Ziel. An solchen Mentalitäten gibt es viel zu lernen.

 


 

 

Was ist gut? Nach den bisherigen Schlüssen alles, was der Profitmaximierung dienlich ist: Siegen tut einem gut, Verlieren aber auch, solange die Niederlage den persönlichen Besitz bestätigt oder gar erhöht. Eine starke Niederlage gegen einen starken Gegner gewinnt Erfahrung. Gut für den Schachspieler ist aber auch, wenn seine Vereins- oder auch Verbandsarbeit zum erfolgreichen Bewähren des Vereins/Verbandes beiträgt.

Was ist schlecht? Alles, was das Leistungsvermögen inhibiert, vermindert oder dessen Existenz gar völlig abstreitet. Seine Ziele komplett zu verfehlen, gleicht einer Bankrott-Erklärung. Der Satz „Ich hör‘ auf mit Schach“ ist nichts anderes, als dass die Person bestreitet, dass sie als Schachspieler noch einen Nutzen hat.

Woher stammt das moralische Urteilsvermögen des Schachspielers/in? Aus der Lebensgeschichte der Personen, welche sich maßgeblich aus der Erziehung ergibt. Von Anfang an mit Zielen konfrontiert zu sein, die man im Laufe seiner Karriere abbezahlen muss, prägt den Habitus und definiert seine Moralvorstellungen. Eine radikale Moral urteilt ausschließlich im Schachspiel selbst und nur nach Sieg oder Niederlage. Jeder Sieg ist gut. Jede Niederlage ist schlecht. Zwei Remisen sind eine Niederlage.

Die Konsequenz kann einerseits sein, dass die Schulden tatsächlich bedient werden können, andererseits ist ein solches Renditestreben auch ziemlich risikoreich und ein Zweck an sich: Es müssen laufend neue Schulden aufgenommen werden.

Was ist eine gesunde Moral? Eine Moral, die nicht nur auf Wachstum des Leistungsvermögens setzt, sondern auch womit die Schachspieler alles Krankhafte von sich fernhalten. Man beobachtet diese schon am Euphemismus des Spielers: „Ich habe zwar verloren, aber viel dazu gelernt. Nächstes Mal weiß ich, dass ich meinen Gegner schlagen werde.“ Gesund ist diese Moral deswegen, weil die Person den Schachspieler nicht als eine misslungene Epoche ansieht, wie eine Krankheit. Eine pessimistische Einstellung gegenüber dem Schach ist ein deutliches Symptom für eine degenerierende Gesundheit des Schachspielers/in. Betrachten wir noch einmal den Satz: „Ich hör‘ auf mit Schach“, so wird deutlich, dass da jemand gestorben ist.

 


 

 

Wann könnte ein Verein von sich aus sagen, dass etwas „gut“ für ihn ist.

Zunächst einmal besitzt ein Verein durch seinen Vorstand eine juristische Stimme, aber wann spricht der Vorstand für den Verein? Ich denke, man könnte es mit Gesundheit besser umschreiben. Angenommen, ein guter Verein wäre ein gesunder Organismus aus gesunden Zellen, so ist meine These: Dass er wachsen wird und instinktiv alles Krankhafte und Todbringende von sich abwehrt.

Ein Beispiel: Unsere Jugendmannschaft ist nach fast zehn Jahren unserer Neuformierung in die höchste deutsche Spielklasse aufgestiegen. Wir sind Bundesliga.

Sicherlich kann man es als Überraschung bezeichnen, da wir lange Zeit mit dem Abstieg zu kämpfen hatten. Ich denke aber, es widerspreche den Gesetzen der Natur. Was einen robusten Kern besitzt, der sich in der Landesliga immer wieder bewährt hat, beharrt nicht nur in seiner Nische, sondern sieht zu, wie andere scheitern und nutzt so seinen Vorteil.

Ein grundlegender Fehler wäre es, sich diesen Profit nun abzustreiten. „Das wird eh nichts“, „In fünf Jahren gibt es keine Jugendmannschaft mehr“ etc. Man ahnt es schon, wer so spricht: ein krankhafter Organismus. MitgliederInnen, die sich z.B. mit dem Pessimismus angesteckt haben, können ihre Krankheit schnell auf andere übertragen. Man hüte sich vor einer Epidemie! In solchen Fällen, die klare Symptome eines degenerierenden Habitus sind, sind vor allem gesunde Köpfe und Ärzte notwendig, die alles Krankhafte instinktiv perhorreszieren.

Zwar ist die Widerlegung des Pessimismus immer ein langweiliges Unterfangen, aber wenn schon, dann halte ich es daher wie mit den Dinosaurier: Die sind zwar auch ausgestorben, ok. Aber in ihrer Zeit, da waren die wenigstens G R O ß .

 


 

 

Zunächst einmal ist die Ressource Zeit, ganz gleich welcher Weltanschauung man auch angehört, geschenkt. Je nach Weltanschauung gibt es unterschiedliche Rechtfertigungsversuche für das Geschenk ex nihilo – vor wem man auch immer seine Rechtfertigung abliefern will, ob Gesellschaft oder ein höheres Wesen. Sagt z.B. jemand von sich, dass Schachspielen vergeudete Zeit ist, so ist es immer in Bezug auf seine Weltanschauung, dass diese Person die Ressource nicht vernünftig investieren kann oder konnte, um seine inkorporierte Bringschuld für sein Geschenk zu bezahlen. Schach zu spielen anstelle von Hausaufgaben zu machen und es retrospektiv als „vergeudet“ zu stigmatisieren – dieses Urteil bedeutet nämlich, dass der Habitus zuerst Erfolg im Schulsystem nachweisen muss, damit er einen sicheren Platz im Produktionssystem der Gesellschaft einnehmen kann, die ihm dadurch sein Geschenk rechtfertigt. Nicht zu verwechseln mit der Moral eines Schachspielers: Diese/r muss sich zuerst im Schach engagieren, um dort Erfolg nachzuweisen, welcher ihm dann versichert, dass seine Zeit „gut“ angelegt war.

Ich leugne daher irgendeine absolute Position, von wo aus man sagen könnte, das Schach an sich gut/schlecht/sinnvoll/nutzlos usw. wäre. Vielmehr ist es wichtig, wer gerade spricht. Ist es der Schachspieler, ein Vereinsmitglied, Fussballspieler usw. oder die Person? Selbst wenn man es radikalisiert und behauptet, man könne mit Schach seine Zeit vergeuden, so wird es dadurch verschenkte Zeit, mit der andere vielleicht etwas anfangen konnten.

Als Person bleibt da wohl nichts anderes übrig, als zu seiner Geschichte zu stehen und eine Moralisierung der Epochen zu vermeiden. Bekanntlich sind es ja auch immer Sieger, die die Geschichte schreiben.

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