Schachfreunde Burg von 1966 e.V.

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Dadurch, dass die Personen an das Regelwerk glauben, grenzen sie sich nicht nur von anderen Spielfeldern ab, sondern erhalten im Feld (Markt, Raum) eine neue Identität zugewiesen. Sicherlich sind SchachspielerInnen nette Leute, aber spielen auch wirklich alle netten Leute Schach? Wird ein Großmeister auch von allen auf der Straße erkannt oder erst von SchachspielerInnen? Man muss hier eine klare Linie ziehen zwischen einer Person, die eine Geschichte hat, und einem Schachspieler, welcher so etwas wie eine Epoche davon ist. Mit jeder Lebensgeschichte endet jede Epoche, aber mit einer Epoche endet längst nicht jede Lebensgeschichte.

Denken wir uns dieses Schema für eine Institution, die aus mindestens zwei Personen besteht, die sich reziprok wahrnehmen. So könnte man sagen, dass eine Schachpartie die minimalste Form eines Wettbewerbs ist. Die Personen bieten sich als SchachspielerInnen an und je nach dem, ob die Nachfrage des anderen angeregt wird, kommt es anschließend zu einer Begegnung, aus der ein Preis (z.B. die Wertungszahl) festgesetzt werden kann.

Der Marktpreis ist jedoch nicht nur etwas so eindeutiges wie die Wertungszahl. Ein Großmeister ohne DWZ symboliert ebenfalls einen bestimmten Wert und wird auf Turnieren daher meistens subventioniert, obwohl sein Preis speziell für diese Währung (DWZ ist eine Gewährleistung des Schachbundes) nicht berechnet wurde.

Angenommen, das, was im Schach getauscht wird, ist etwas Symbolisches, eine spezifische Sorte von Kapital, die nachher festsetzt, welchen Wert das eigene Schachspiel nimmt. Schauen wir uns an, was passiert, wenn jemand im Schach gewinnt. So ist das, was diese Person aus der Begegnung mitnimmt, ein Sieg. Er kann anschließend sagen, dass dieser Sieg zu seinem persönlichen Besitz gehört: "Ich habe gewonnen. Diese Leistung kann mir keiner mehr nehmen."

Wie steht es beim anderen? Dieser hat ebenfalls etwas aus der Begegnung mitgenommen, eine Niederlage, oder wie es so schön heißt: er hat Erfahrung dazu gewonnen. Nichtsdestotrotz wirkt sich diese Niederlage negativ auf seinen Preis in einem organisierten Markt aus. Sein Schachspiel hat für die Schachlandschaft, in der dieser Wert festgesetzt wird (z.B. Deutscher Schachbund), weniger Wert als das des anderen.

Im Laufe einer Karriere häuft ein/e Spieler/in also so und so viel Siege, Remisen und Niederlagen an, die irgendwann in einem Preis ihren Ausdruck finden und nun seinem kognitiven Produktionssystems einen eigenen Wert geben. Von einem Großmeister erwartet man, dass er gegen einen Neuankömmling gewinnt, da sein Schachspiel ansonsten auch erheblich an Wert(ungszahl) verliert.

Wie wird der Preis genau festgesetzt? Eine Preissetzung benötigt in erster Linie die formale Dokumentation, damit das Ergebnis auch anschließend zum Besitz hinzugerechnet werden kann und die Eigentumsverhältnisse korrekt sind. Daher benötigt es erstens einen einheitlichen Spielmodus sowie der Partienotation, die der Leistung eine Materialität gibt. Zweitens braucht es einen Wertungsreferenten, welcher befugt ist, Preise zu berechnen. Drittens eine Art Börse oder Dachorganisation (Schachbund, FIDE), welche den SpielerInnen eine Plattform (national/international) und ihre Währung (DWZ/ELO) anbietet, durch die sie ihr Angebot bewerten können und ihrem Schachspiel somit speziell für diesen Markt einen Wert geben. Es sei an dieser Stelle nur daran erinnert, wie oft ELO und DWZ auseinanderklaffen. Man fragt da schon fast nach einem Umrechnungskurs.

Die organisierten Marktplätze (Turniere, Ligen) müssen jedoch nicht immer einer Preissetzung unterliegen. Welchen Zweck erfüllt zum Beispiel ein Blitzturnier, wenn man doch anschließend nicht wissen kann, ob sich eine Wertsteigerung bemerkbar macht? Man ahnt es schon: Angenommen, das Tauschmittel im Schachspiels sei symbolisches Kapital, so gehören im Schach erworbene Titel aber auch Platzierungen maßgeblich zum Besitz dazu. Dieser Besitz drückt sich nicht nur in der Kommunikation aus ("X ist Landesmeister 2011" / "Y ist Vize-Landesmeister 2011" usw.), sondern erhält im Gegensatz zu einer Wertungszahl, die kontinuierlich mitgedacht wird, etwas Materielles, damit der Besitz auch nicht vergessen werden kann: Pokale, Urkunden, sonstige Geschenke. An dieser Stelle sei auf die Besonderheit eines Schachtitels hingewiesen. Dieser kann nicht zum sozialen Kapital, also etwas, was durch soziale Arbeit akkumuliert wird, hinzugezählt werden, da er nur durch schachliche Arbeit (Training, Spiele) erworben werden kann.

Auch sollte man das Argument fallen lassen, dass die Wertungszahl per se etwas zu bedeuten hat. Eine starke Niederlage kann sich positiv auf das Produktionssystems auswirken. Ebenso kann ein Rückgang an schachlicher Arbeit bei gleichbleibendem Marktpreis einen rapiden Kurssturz bei der Investition in Turniere oder Ligen nach sich ziehen.

Man beachte nun den subtilen Unterschied. Innerhalb der Leistungen finden sich Hierarchien wieder. Von einem Großmeister erwartet man nunmal, dass er seine Leistung mitbringt. Dagegen ist jemand, der irgendwann mal irgendwo Blitzmeister war, nicht zwangsläufig jemand, der auch für gutes Schachspielen steht. Die Einführung einer einheitlichen Währung im Deutschen Schach war daher sicherlich ein wichtiges Ereignis für das Schachspiel in Deutschland.

 

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