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Kategorie: Blog

Vor kurzem erreichte uns die Beschwerde eines Schachfreunds/in, die exzellent zu "Zur Ökonomie des Schachs III" passt. Die Person gibt seinen Frust über den Abstieg der SF Burg kund. Denn ihm tun die Wrister und Barmstedter Leid, da sie jetzt um den letzten verbleibenden Platz in der Bezirksliga spielen müssen. Es sei ein klares "Fehlverhalten" der Burger. Er fordert eine "Bestrafung/Sanktion", wie z.B. dass Vereine, die ihre Mannschaften so zurückziehen, eine Saison nicht spielen dürfen.

 

Nehmen wir das mal theoretisch auseinander und fragen nach dem Recht im Schach.

 

Ein Verein erleidigt einen plötzlichen, gefährlichen Schaden an seinem Saisonziel. Die kollektive Schuld des geplanten Erfolges evoziert ein schlechtes Gewissen. Es braucht einen Schuldigen, einen Täter, der im Unrecht ist. Er muss mit seiner Bestrafung, seinem Opfer, für die Schuld gerade stehen. Das alles fordert der Rechtfertigungsglauben, die Perspektive der Schuld.

Ich brauche hier nicht auszuführen, was das Grundprinzip dieses Ressentiments ist: Rache. Instinktiv sucht der geschädigte Habitus zu seinem Leid eine Ursache, einen Täter, an den es sich zu rächen gilt. Der Schaden, die unappetitliche Überraschung, muss beglichen werden. Irgendjemand anderes muss sie verdauen.

Nicht zu vergessen ist die Ungerechtigkeit des Mitleids. Der Schachfreund/In sieht sich in einer Verantwortung für das Saisonziel. An einem Misserfolg würde er leiden – oder eben jetzt, weil er die Überraschung nicht verkraften kann und sich darüber beschwert.

 

Wer hat Recht?

 

Selbstverständlich diejenigen, die sich an das Reglements des Marktes halten. Wer sich nicht an die Regeln hält, der spielt kein Schach. Der unbestimmte Rechtsraum ist der Lebensraum von Politik. Die ist kontingent und hat niemals Recht. Dort gibt es keine Richter, aber die sogenannten Besserwisser.

Ist aber eine Umformulierung der Spielordnung nötig? Brauchen wir eine Wahrheitspolitik? Muss man Vereine - wie z.B. Eckernförde in der Jugendlandesliga – bestrafen, wenn sie ein Ungerechtigkeitsempfinden irgendwo auslösen?

 

Es gibt wohl wenig, was so sicher ist, wie dass Strafe zu keiner Besserung des Bestraften führt. Gemischt mit Rachegelüsten ist es das gefährlichste Gift für den Habitus. Die Wurzel des Übels habe ich oft genug betont: Der Rechtfertigungsglauben, der Verantwortungstrieb aus einer Schuld heraus, kurz: einer Erbsünde vom Vereinsgott...

 

Um es also so kurz wie möglich zu halten:

Eine gesunde Moral steckt sich nicht mit dem Pessimismus an. Sie niest einmal und stößt damit alles Krankhafte von sich. Dabei ist für das Niesen nicht das Krankhafte "Schuld" – das würde einer behaupten, für den Niesen so normal wie Atmen ist –, niemals!, es ist der notwendige Reflex eines starken Immunsystems. Der starke Habitus sucht nicht nach einem Schaden in sich, sondern passt sein Immunsystem automatisch an. Denn alles Leidbringende muss instinktiv perhorresziert werden. Ohne Fragen zu stellen. Ohne überhaupt einen Schuldigen zu suchen.