Schachfreunde Burg von 1966 e.V.

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4. Zur Funktion des schlechten Gewissens

 

Da, wo Unrecht begangen wurde, wo also jemand gesetzte Grenzen übertreten hat und den anderen einen Nachteil bescherte, finden sich schuldige Täter. Der Schuldige ist jemand, der das von allen objektiv akzeptierte Regelwerk nicht einhält und damit sein Wort bricht, daher Ver(trags)-brecher. Er lädt sich damit eine Schuld auf, eine Forderung von anderen, die er in der Strafe abbezahlen muss.

Der berühmteste Fall ist das Handyklingeln. Da vor dem Wettkampf sich alle darauf geeinigt haben, die Handys auszuschalten (angeblicher Vorteil/Nachteil), ist der Wortbrecher jemand, der sich nicht an das Verbot hält und sich somit schuldig macht, wenn es denn klingelt. Die Strafe ist eine verlorene Partie (oder zwei...).

Zusätzlich kann sich je nach Habitus ein schlechtes Gewissen einschleichen, das mehr oder minder eine Schuldenfunktion einnimmt, die dem Straftäter die Schulden zuschreibt, womit er sich auch verpflichtet, diese abzubezahlen. Das schlechte Gewissen zeigt sich vielmehr darin, dass wenn der Straftäter der Mannschaft dadurch den Sieg "raubt", sich selbst auch etwas schulden kann, wenn er eine gute Saisonplatzierung von sich forderte. Der Mannschaft blieb er diesen Sieg "schuldig" und könnte somit ein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Gläubigern bekommen (z.B. wenn er sich Ziele gesetzt hat). Ein Wortbrecher (auch Ver-sager) kann also durchaus sich selbst bestrafen, wenn er einen Schadensersatz für die verfehlten Ziele geltend macht, indem er das nächste Mal eine Brettherabsetzung für sich fordert oder den Spielbetrieb komplett aufgibt.

Eine solche Einstellung zu einem Rechtfertigungsglauben (die am besten damit beschrieben werden können, dass die Aktivitäten in einer Art Kontokorrentrechnung geführt werden, in der "Erfolge" und "Verluste" symbolisch aufgelistet werden) lehne ich jedoch aus theoretischen Gründen entschieden ab. Eine zweiwertige Logik hält der Wirklichkeit einfach nicht stand.

Es werden laufend zahlreiche Aktivitäten verbucht, die jenseits von gut oder schlecht, richtig oder falsch liegen – die Überraschungen eben, die man erst nach ihrer Verdauung bewerten kann.

Statt ständig an einem schlechten Gewissen zu arbeiten, indem man wie in einem planwirtschaftlichen Vereinsunternehmen Ziele formuliert oder an sich selbst Forderungen stellt, bevorzuge ich alternativ die Arbeit an einem starken Immunsystem (gesunde Moral), das im Falle eines Rechtsbruchs keine Bestrafung sucht (schon gar nicht eine Schuld in sich selbst). Es wäre schlichtweg ungerecht, etwas von sich zu fordern, was einen selbst überrascht.

Wie sieht also die Alternative aus? Das Gegenteil ist das reine Gewissen, dass sich instinktiv nichts zu schulden kommen lässt. Vorausgesetzt, man will für sich den größtmöglichen Profit erwerben, also die größtmögliche Bestätigung der eigenen Person, dass sich die Arbeit gelohnt hat, dann ist es völlig unerheblich, wie gut man Schach spielt. Wer dafür Ziele benötigt, lebt mit einem endogenen Mangel an seiner Person als Schachspieler, der unvollkommen angesehen wird. Man muss sich dies und das vornehmen, dies und das zu sich nehmen – wie ein Drogenabhängiger. Was jedoch nicht vergessen werden darf, ist, dass dahinter immer nur ein Prinzip steht: Es gibt keinen höheren Sinn im Schach als die Gewissheit der Person, dass es sich gelohnt hat, Schach zu spielen.

 

 

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