Schachfreunde Burg von 1966 e.V.

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5. Über die Ungerechtigkeit des Mitleids

 

Die Beurteilung der Konfliktfälle verläuft nicht immer nach einem geordneten Schema, in der die Schuldigen ihre gerechten Strafen bekommen. Ein Störfaktor ist das Mitleid.

Wie es bereits im Begriff feststeht, nämlich Mit und Leid, ist die subjektive Zuneigung eine Art Schöpfung von Schuld(-gefühlen) mit sich selbst.

Spielen zwei Vereinsmitglieder gegeneinander und empfindet einer von beiden das Bedürfnis, dass er dem anderen einen Sieg schuldig ist, kommt es zu einer sogenannten Pflichtenkollision, in der sich meistens die supererogatorische Handlung (jenseits der Pflicht) aus altruistischen Motiven durchsetzt. Die normalen Schachregeln werden gegebenenfalls außer Kraft gesetzt und es entscheidet nicht mehr die Leistung, sondern das Leiden. Weil dieser Mitleidsakt das geltende Rechtssystem ignoriert, ist es für jemand anderes ungerecht. Der geschädigte Dritte kann dann zu Recht die Gerechtigkeitsfrage stellen und wird dann doch nur eine Rechtsbelehrung bekommen. In jedem Fall produziert das Mitleid die Ungerechtigkeit, da nicht mehr die gleichen Regeln für alle im Schach gelten.

 

Bei der Hybridisierung von schlechtem Gewissen und Mitleid kommt es zu den heikelsten Fällen. Kurz gesagt: Jemand anderes verfehlt seine Ziele. Das Mitleid generiert die Schuld des Ver-sagers bei sich selbst. Daraufhin baut sich ein schlechtes Gewissen für etwas auf, wofür man nicht verantwortlich ist.

Gewinnt man gegen jemanden, der sich aber selbst fest vorgenommen hatte, zu gewinnen, und schleicht sich dann das Mitleid ein, so ist es in jedem Fall schädlich für beide. Der Gewinner plagt sich mit Schuldgefühlen herum, die abbezahlt werden müssen. Im schlimmsten Fall ändert es sogar sein Jagdverhalten. Beim nächsten Mal spielt er absichtlich schwächer. Ein anderer leidet und man macht sich selbst schuldig, ihm zu helfen. Mitleid ist nicht unbedingt positiv zu bewerten.

Was ist die Alternative? Anstatt dass sich der Gewinner ent-schuld-igt, sucht man die wahre Niederlage im Moral- und Normsystem von beiden. Die Bewertungsgrundlage ist einfach zu schwach, um für alle Beteiligten die gerechteste Lösung anzubieten. Es ist einfach ungerecht, wenn der Sieger bestraft wird. Auch ist es ungerecht, Überraschungen vor ihrer Verdauung zu beurteilen.

 

Ein weiteres Beispiel zur Ungerechtigkeit des Mitleids findet sich im Vereinswesen. Hier ist der Tatbestand weitaus komplexer, aber mindestens genauso eindeutig.

Mitglied X fordert: "Ich will die Klasse halten!" Im Laufe der Saison macht sich bemerkbar, dass diese Forderung fest zum Bestandteil des Habitus wurde, indem sie wie ein Medikament wirken muss oder anders gesagt: Der Schachspieler ist unvollkommen. Es mangelt an etwas.

Es kommt zum Abstieg. Dadurch entsteht ein Schaden, der beseitigt werden muss. Instinktiv sucht der Erkrankte daraufhin nach einer Ursache für sein Leiden. Entweder in sich selbst oder in den anderen. X glaubt, er sei ein Opfer und es gibt einen Täter.

Mitglied Y und Z bemerken das Leiden und beteiligen sich an seiner Schuld. Es kommt zum Mitleid mit dem Schwachen: "Eigentlich hat er doch Recht." oder "Jedes Mitglied ist wichtig." usw. In einem Wort: Alle drei beteiligen sich an der Selbstkasteiung.

Ist das gerecht? Unter dem Aspekt der Ziel- und Schuldensetzung wäre es theoretisch gerecht, wenn jemand bestraft wird. Das benötigt aber einen ziemlich radikalen Ökonomismus, welcher einfach nicht verstehen kann, dass Zeit ein Geschenk ist, dass erst im Nachhinein einen Rechtfertigungsglauben und somit Nutzen bekommt.

Unter dem Aspekt der Gesundheit, also in einer Betrachtung eines Mitglieds, das sich selbst bestrafen will, wäre es völlig irrsinnig. Strafe führt zu keiner Besserung des Bestraften.

Wenn es keinen höheren Sinn im Schach gibt, als die vollständige Gewissheit, dass es sich gelohnt hat, Schach zu spielen, dann müssen eben auch die unverdaulichen Momente den größten Genuss bereiten. Träume schmecken süß, haben jedoch auch die Gefahr, dass man an ihnen verhungert.

 

 

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