Schachfreunde Burg von 1966 e.V.

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7. Das Opfer für den Vereinsgott

 

Den Charakter von Zielen habe ich nun oft genug betont. Man nimmt sich etwas vor, dass man erreichen will, ja erreichen soll, damit man anschließend sagen kann: Die harte Arbeit hat sich gelohnt, mein Schach ist etwas wert. Die Schuld mit sich selbst oder mit anderen – die Forderung, die verpflichtet, dass man sie auch erfüllen muss – verfolgt dabei stets ein und dasselbe Prinzip: Es gibt keinen höheren Sinn im Schach als die Gewissheit für die Person, dass es sich gelohnt hat, Schach zu spielen.

Bei der Bilanzierung der Aktivitäten fungieren gescheiterte Ziele dann wie eine Bankrott-Erklärung. Im schlimmsten Fall bestreitet die Person, dass sie als Schachspieler noch einen Nutzen hat. Dann wird das getan, was ein Rechtfertigungsaberglauben verlangt: Der entstandene Schaden muss beseitigt werden. Es gibt noch irgendwo die Schuld, die beglichen werden muss. Sonst geht die Rechnung nicht auf – und das wäre ja ziemlich ungerecht.

Hat also Mitglied X ein Recht auf Schadensersatz durch den Verein? Müssen Mitglieder bestraft werden, um den entstandenen symbolischen Schaden (z.B. Minderung von Stolz) zu beseitigen? Hier sind die vertraglichen Absicherungen entscheidend. Ziele haben in jedem Fall vertraglichen Charakter. Wer Ziele verpasst, wird immer bestraft. Schlechtes Gewissen, aber vor allem die Trauer sind solche lebenshindernde Faktoren.

Haben alle Mitglieder vorher planwirtschaftlicht versichert, dass sie alle dieses gemeinsame Ziel haben, der Verein also ein und dieselbe Sprache spricht, dann wird die Kollektivschuld entweder kollektiv beglichen oder noch eher wahrscheinlicher im Opfer. Ein Schuldiger wird gesucht und gefunden, der dann für alle den Kopf hinhält.

Findet sich X der Situation konfrontiert, dass es für seinen Schaden keine Bestrafung bei den Mitglieder gab, dann wählt er meistens den Weg der Selbstaufopferung – ein Gestus, der in sämtlichen gesellschaftlichen Formationen lange Tradition hat.

Das Opfer ist ein wichtiger Bestandteil des Rechtfertigungsglaubens. Der Glauben an eine Rechtfertigung für die Mitgliedschaft konzipiert eine höhere Macht wie "den" Verein. "Der" Verein hat auf einmal Ziele und normative Grundsätze, ja sogar einen eigenen Willen und seine Priesterschaft, die meint, für den Verein sprechen zu dürfen. Auch wenn man es ungern zugibt, so lässt sich am Verhalten der MitgliederInnen beobachten, dass scheinbar hin und wieder etwas dem Vereinsgott geopfert werden muss, um sich dann wieder mit seinem Gläubiger zu versöhnen.

 

Man wird hoffentlich nachvollziehen können, dass eine Vereinigung von Personen, die alle nur für sich wirtschaften, kein unverbindliches, absolutes Ziel hat. Untereinander werden Kämpfe ausgetragen, was als wahr für den Verein zu gelten hat.

Gerechtigkeit ist ein Konfliktprodukt. Jeder will für sich den größtmöglichen Profit. Der eine will sein Leiden stimulieren, der andere will einfach nur ein reines Gewissen. Und ab hier kann ich mich nur wiederholen: Eine gesunder Organismus fordert eben nicht das ein, was ihm selbst schaden könnte. Er weiß instinktiv, fast schon visionär, wie er zu haushalten hat.

Der Zusammenschluss dient einem egoistischen Profitinteresse. Eine Person, die als Jugendwart nicht mitspielt, profitiert in seiner Funktion. Seine Arbeit mit den Jugendlichen kann sich bei deren Erfolg lohnen. Daraus können wieder normative Grundsätze abgeleitet werden, wie etwa, dass es gerecht wäre, wenn der Jugendbereich finanziell mehr unterstützt wird, weil er nunmal rentabel ist.

 

Um aber der vollkommenen Relativität zu entgehen, wie dass es doch einen Antrieb geben muss, sprach ich öfters von "Gesundheit". Wenn man sich dennoch das Vereins-Wesen vorstellen will als das, was hinter dem Vereinsnamen steht, dann könnte man es als ein Organismus auffassen, der aber nur eine einzige Notwendigkeit hat: die Selbsterhaltung. Es ist kein Ziel, keine pessimistische Sicht auf etwas Unvollkommenes, sondern ein Vertrauen auf die eigene Größe und Stärke, eine Bejahung des Selbst. Eine gute Verdauung verkraftet jede Überraschung und geht daraus noch stärker hervor.

 

Hat also ein Vereinsmitglied Anspruch auf Schadensersatz?

Aus der gesundheitlichen Perspektive heraus: nie und nimmer, weil eine Bestrafung immer ungesund ist. Die Frage geht eher in die Richtung: Wieso muss es ein Bestraften geben? Ließe sich das schlechte Gewissen abschaffen und stattdessen ein reines Gewissen einführen, das sich vor nichts fürchtet? Wieso muss man traurig und unzufrieden sein, an sich selbst oder an den anderen leiden? Ist es denn so schwer zu verstehen, dass es überhaupt keinen Vereinsgott gibt, dessen Plan man erfüllen könnte, indem man Ziele formuliert wie "rumdaddeln" oder "aufsteigen"?

 

Muss ich noch den Unterschied zwischen Schuldentilgung und Schuldenerlass erklären?

Das eine benötigt Schwächlinge, die Gehorsam gegenüber einem Gläubiger leisten und seine Forderungen erfüllen.

Das andere entspringt der Stärke und des Überflusses. Ein Schuldenerlass des Gläubigers ist ein Akt der Gnade und nicht des Mitleids.

Bekanntlich ist letzteres auch das wirksamste Instrument eines Gottes und der hätte sicherlich keine Ziele mehr.

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